Ein stinknormaler Sonntagnachmittag - Ich beobachte, wie mein Mann mit unserem Ältesten und der Jüngsten ein Kartenspiel spielt. Mein Sohn ist eigentlich recht gut darin, aber während des Spiels merkt er, dass seine Chancen zu gewinnen nicht ganz so hoch stehen. Nachdem er eine Karte abgelegt hat, bemerkt er, dass er noch einen anderen, besseren Zug hätte machen können und bittet darum, seinen Zug rückgängig zu machen. Mein Mann bleibt jedoch regeltreu und lässt keine Ausnahme zu. Mein Sohn ist darüber nicht erfreut und versucht mit ihm zu diskutieren, doch mein Mann bleibt standhaft. Die Frustration meines Sohnes wächst und als auch noch seine 4-jährige Schwester das Spiel gewinnt, kann er seine Emotionen nicht mehr zurückhalten. Er wirft die Karten auf den Tisch, schreit „doofer Papa“, rennt ins Kinderzimmer, schlägt die Tür zu und sitzt laut weinend auf dem Sessel.
Nachdem mein Sohn wütend ins Zimmer gestapft ist, folge ich ihm. Ich setze ihn auf meinen Schoß, umarme ihn und spende ihm Einfühlung, indem ich seine Gefühle anspreche: "Du bist traurig, weil du verloren hast, du würdest gerne gewinnen, richtig?" Er nickt mit "Ja", und ich fahre fort: "Du wolltest Spiel und Spaß haben, nicht wahr?" Wieder nickt er. "Papa wollte keine Ausnahme für dich machen. Er hat ernst mit dir gespielt," sage ich, und er antwortet: "Ja, Papa hat zu ernst gespielt." Nachdem wir gekuschelt und ich ihm versichert habe, was für ein großartiger Junge er ist und dass seine Gefühle völlig in Ordnung sind, beruhigt er sich. Wir gehen zurück ins Wohnzimmer zu den anderen. Er erklärt seinem Papa, dass er zu ernst gespielt hat und dass er Spiel und Spaß wollte. Die beiden versöhnen sich und alles ist wieder gut. Gleichzeitig frage ich mich:
„Kann mein Sohn einfach nicht verlieren?“
Mit sieben Jahren sind Wutausbrüche bei ihm selten geworden, doch dieser Vorfall schien ihn tief zu treffen. Seitdem er in der Schule ist, hat Wettbewerb einen immer größeren Stellenwert in seinem Leben eingenommen. Jede Alltagssituation wird zu einem Rennen um den ersten Platz – ob es darum geht, als Erster den Schulhof zu betreten, als Erster durch die Autotür zu schlüpfen, als Erster fertig angezogen zu sein oder als Erster durch die Haustür zu gehen.
Die Bedeutung des Wettbewerbs aus entwicklungspsychologischer Sicht:
Wettbewerb ist besonders im Grundschulalter von großer Bedeutung in der Entwicklungspsychologie von Kindern. Er fördert das Selbstbewusstsein, indem Kinder lernen, ihre Fähigkeiten im Vergleich zu denen ihrer Altersgenossen zu bewerten. Durch den Umgang mit Sieg und Niederlage entwickeln sie wichtige soziale und emotionale Fähigkeiten. Sie lernen die Notwendigkeit von Regeln für Fairness und Gerechtigkeit und erfahren die Bedeutung von strukturierten Abläufen. Wettbewerb motiviert Kinder zudem, sich weiterzuentwickeln und neue Fähigkeiten zu erlernen. Insgesamt trägt er dazu bei, sowohl individuelle Stärken als auch soziale Interaktionen zu fördern.
Die spezielle Herausforderung: Verlieren gegen die jüngere Schwester
Je mehr ich über die Situation nachdenke und mich frage, ob mein Sohn einfach nicht verlieren kann, wird mir klar, dass es durchaus Situationen gibt, in denen er mit Niederlagen gut umgeht. Wenn ich alleine mit ihm spiele und gewinne, fordert er mich zu einer weiteren Partie heraus und spielt mit großem Ehrgeiz weiter. Vor mir zu verlieren scheint ihm also nichts auszumachen. Was ist also in dieser speziellen Situation so anders, dass seine Reaktion so unverhältnismäßig heftig ausfällt? Die besondere Herausforderung für mein Kind, gegen seine jüngere Schwester zu verlieren, geht weit über ein einfaches Spiel hinaus. Dieses Ereignis wirft für ihn tiefgreifende Fragen auf, die sein Selbstbild und seine Rolle innerhalb der Familie betreffen. Kinder, insbesondere in einem empfindlichen Alter wie sieben Jahren, erleben Niederlagen nicht nur als Pech. Stattdessen struggeln sie mit tiefgreifenden Fragen wie: "Wer bin ich?" und "Was kann ich?“. Ein solcher Verlust kann das Selbstwertgefühl ernsthaft beeinträchtigen und Gefühle von Schwäche und Verletzlichkeit hervorrufen. Mein Sohn erlebte, trotz Anstrengung und Engagement, eine Niederlage, was ihn an seinen Fähigkeiten zweifeln ließ.
Als älteres Geschwisterkind hatte er zudem das Bedürfnis, sich als überlegen zu beweisen, eine Rolle, die er für sich selbst definiert und die er als Teil seiner Identität ansieht. Der Sieg seiner jüngeren Schwester, die das Spiel erst kürzlich erlernt hatte, stellte eine direkte Herausforderung dieser Selbstwahrnehmung dar. Es war nicht nur eine Niederlage in einem Kartenspiel, sondern fühlte sich an wie ein Verlust seiner Stellung und seiner Autorität als der Ältere.
Diese Erfahrung war für ihn schmerzhaft, weil sie tief in das Gewebe seiner emotionalen und psychologischen Entwicklung eingriff. Die Niederlage löste unbewusste Prozesse aus, die seine tiefliegenden Bedürfnisse nach Anerkennung und Sicherheit betrafen. In solchen Momenten ist es nicht nur das Gewinnen, das zählt, sondern was das Gewinnen symbolisiert: Kompetenz, Stärke und die Bestätigung durch andere.
Was kann ich jetzt also mit meinen Erkenntnissen tun?
Um Kindern wie meinem Sohn durch solche Erfahrungen zu helfen, ist es entscheidend, ihnen mit Empathie und Verständnis zu begegnen, so wie ich es getan habe, als ich ihn nach seinem Wutausbruch auf meinen Schoß nahm. Ein zentraler Aspekt meiner Unterstützung liegt darin, wie ich mit ihm über seine Gefühle spreche und ihm Raum gebe, diese zu erleben und auszudrücken.
Als Elternteil kann ich meinen Sohn effektiv unterstützen, indem ich seine Emotionen nicht nur anerkenne, sondern auch valide. Ich kommuniziere ihm, dass es völlig in Ordnung ist, traurig oder enttäuscht zu sein, und dass diese Gefühle einen Platz in unserem Zuhause haben, ohne dass sie das Zusammenleben stören dürfen. "Du hast ein Recht, wütend und traurig zu sein. Aber du hast nicht das Recht, uns das Spiel kaputt zu machen und deine Schwester zu hauen.“
In unseren Gesprächen gebe ich ihm die Sicherheit, dass er geliebt wird, unabhängig davon, ob er gewinnt oder verliert. Ich achte darauf, ihm durch Worte und Gesten zu versichern, dass er wertvoll ist. Dies kann durch Umarmungen, bestätigende Worte oder gemeinsame ruhige Momente geschehen, in denen wir einfach zusammen sind und er sich geborgen fühlt. Indem ich ihm einfühlsam gesagt habe, dass ich verstehe, wie er sich fühlt und dass es in Ordnung ist, diese Gefühle zu haben, habe ich ihm geholfen, sich beruhigt und verstanden zu fühlen.
Das Gespräch über seine Gefühle ermöglicht es ihm, seine inneren Konflikte und Enttäuschungen zu verarbeiten. Es hilft ihm zu verstehen, dass sein Wert nicht allein durch Siege oder Niederlagen definiert wird und dass es in Ordnung ist, auch mal Schwäche zu zeigen. Diese Gespräche stärken sein Selbstwertgefühl und entwickeln eine gesündere, ausgewogenere Sicht auf Wettbewerb und persönliche Fähigkeiten.
Durch diese empathische und unterstützende Herangehensweise bereite ich ihn darauf vor, zukünftige Herausforderungen gesünder zu bewältigen und fördere eine tiefere emotionale Resilienz.
Um meinen Sohn beim Umgang mit Wettbewerb und Niederlagen zu unterstützen, habe ich mir vorgenommen, drei spezifische Maßnahmen zu ergreifen:
1. Familienaktivitäten organisieren, die Kooperation fördern:
Ich plane, regelmäßige Familienaktivitäten zu organisieren, die den Fokus auf Kooperation statt auf Wettbewerb legen. Spiele, die Teamarbeit erfordern, sollen meinem Sohn zeigen, wie man gemeinsam auf ein Ziel hinarbeitet und dabei Spaß hat, unabhängig vom Ausgang. Diese Aktivitäten werden nicht nur die Bindung zwischen den Geschwistern stärken, sondern auch meinem Sohn die Freude an gemeinsamen Erfolgen vermitteln.
2. Qualitätszeit verbringen, um seinen 'Liebestank' aufzufüllen:
Ich möchte sicherstellen, dass ich regelmäßig Einzelzeit mit meinem Sohn verbringe, um unseren emotionalen Bund zu stärken und ihm zu zeigen, wie wichtig er mir ist. Diese bewusste Zeit für Zweisamkeit wird es uns ermöglichen, tiefergehende Gespräche zu führen und sein Selbstwertgefühl zu stärken. Es ist wichtig, dass er sich geliebt und wertgeschätzt fühlt, unabhängig von seinen Leistungen.
3. Seinen Status als ältester Bruder bestärken:
Um sicherzustellen, dass mein Sohn sich in seiner Rolle als ältester Bruder wertgeschätzt und sicher fühlt, werde ich gezielt Situationen schaffen, die ihm helfen, seinen Wert innerhalb der Familie zu erkennen und zu schätzen.
Hast du Ideen dafür? Wie hilfst du deinem ältesten Kind, seine Rolle in der Familie zu sichern und zu stärken? Wie wurde das in deiner Familie gehandhabt?
Es ist unglaublich wertvoll, voneinander zu lernen. Ich lade dich herzlich ein, deine eigenen Erfahrungen, Strategien und Einsichten zum Umgang mit Wettbewerb und Niederlagen bei Kindern zu teilen. Hast du bestimmte Methoden oder Aktivitäten gefunden, die deinen Kindern geholfen haben, sich in Wettbewerbssituationen besser zu fühlen? Teile deine Erfahrungen und Ansätze, um uns allen zu helfen, unsere älteren Kinder in ihrer besonderen Position zu unterstützen.Gibt es besondere Geschichten oder Momente, die du mit uns teilen möchtest? Wir freuen uns über deinen Kommentar!
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